Singing hallelujah with the fear in your heart

…ursprünglich wollte ich ein wenig den bescheidenen Schwung meiner ersten beiden Hindi-Kursstunden ausnutzen und von der Schönheit des Sanskrits und der Unaussprechlichkeit gewisser Hindilaute berichten, aber dafür ist der Eindruck noch zu frisch und das Vokabular wahrhaft zu mickrig. Daher der Sprung in eine neue Rubrik…

Roll your tapes (I)

…und das zunächst unabsichtlich. Bemühungen, über oPodo.de eine günstige Flugverbindung nach Deutschland zu finden, waren langwierig und von zahlreichen Abstürzen meiner Drahtlosverbindung verbunden. Nach jedem Neuaufbau stand ein Sitzplatz weniger im günstigsten Angebot, daher zwecks Frustabbau und Überbrückung ein eskapistischer Besuch in der iTunes-Bibliothek, die ich momentan eigentlich auf wenige Titel reduzieren könnte. Neben Johnny „The beast in me“ Cash verliere ich mich  häufiger bei Joe Henryund lasse nur allzu gerne die sakral-pompösen Klangwellen der kanadischen Band The Arcade Fire über mich ergehen. „Neon Bible“, das Album, mit dem ihnen der Durchbruch gelang, ist eine verspielte Mischung aus David-Bowie-trifft-Phil-Spector-Wall-of-Sound-Musik und Leonard-Cohen-trifft-Will Oldham-Lyrics. Was vor lauter Ambitiösität furchtbar schieflaufen könnte, mir mit jedem Hören jedoch mehr gefiel. Würde diese Band jeden Sonntag in der Kirche um die Ecke die Gemeinde aufmischen, würde ich meine Verärgerung über „unseren“ Papst und auch die ‚Angst‘, beim Herunterleiern des Vaterunsers den Text zu vergessen, wohl dennoch nicht überwinden und doch da sein…

Diese Rubrik ist nur ein Einwurf, daher ganz passend, dass mich vor allem Arcade Fire’s „Intervention“ berührt und den Wierholmodus betätigen lässt. Beim YouTublen bin ich dann über ein Genre des Musikvideos gestolpert, dass es sicherlich bereits seit vielen Jahren gibt… bei Fans dieser Band anscheinend jedoch besonders viele Kreativschübe und Analogien heraufbeschwört. Zwei Zutaten werden ja nur benötigt, das Lied (im Original oder als anklagevorbeugende inoffizielle Liveversion) und ein paar Filmschnipsel, egal ob aus bekannten oder zu Hause in der Studenten-WG gebastelten Filmen. Was ich nicht kleinreden möchte,oftmals toll wenn sich jemand nicht nur inspiriert fühlt und Andere daran teilhaben lässt.

Führte in diesem Falle zu einer unerwarteten Begegnung mit Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ (das letzte Mal vor sechs Jahren an der FH Köln im Medienseminar zerfleddert… wie spricht man nochmals Potemkin aus? Pjatomkin?) und einer, wie ich finde, gelungenen Verschmelzung aus Bild und Ton, was vermutlich ein wenig dem Pathos des propagandistischen s/w-Filmvorlage geschuldet ist:

…des Weiteren zu einer ebenso überraschenden Reise in die Achtziger und die damit verbundene Begegnung mit einigen Hollywoodstars der eignen Jugend. Eine Reise in eine Zeit, in der man sich sichtbar noch mehr Gel in die Haare als in die Lippen spritzte… wobei die visuelle Untermalung mit Szenen aus Francis Ford Coppolas „Rumble Fish“ mehr Wiedersehensfreude mit dem jungen Mickey Rourke, Nicholas Cage beschert (und Dennis Hopper war auch noch nicht tot), als dass Musik und Bild hier sinnstiftend Hand in Hand gehen:

Am Ende noch ein Video, das wie die Abschlussarbeit eines Filmhochschulabsolventen wirkt, vielleicht ein a bisserl pullunderartig daherkommt, aber… nun ja, den Charme eines privaten HomeVideos hat…

Adresse unbekannt.

(Die dreißig anderen Varianten von Umweltzerstörungsszenarien bis hin zu Bildergalerien eingescannter Muskikzeitschriftenartikel belasse ich da, wo sie sind.)

Wem ich jetzt noch nicht das Lied zerstört habe… fein.

Was mir an „Intervention“ gefällt? Gesang, Text, Orgel, Pathos, Zeitlosigkeit… alles also.

Intervention / The Arcade Fire

The king’s taken back the throne,
The useless seed is sown,
When they say they’re cutting off the phone,
I tell them you’re not home.

No place to hide,
You were fighting as a soldier on their side,
You’re still a soldier in your mind,
Though nothing’s on the line.

You say it’s money that we need,
As if we were only mouths to feed,
I know no matter what you say
There are some debts you’ll never pay.

Working for the church
While your family dies.
You take what they give you
And you keep it inside.
Every spark of friendship and love
Will die without a home.

Hear the solider groan, „We’ll go at it alone“

I can taste the fear.
Lift me up and take me out of here,
Don’t want to fight, don’t want to die,
Just want to hear you cry.

Who’s going to throw the very first stone?
Oh! Who’s going to reset the bone?
Walking with your head in a sling
Want to hear the soldier sing.

Working for the Church
While my family dies,
Your little baby sister’s
Going to lose her mind,
Every spark of friendship and love
Will die without a home

Hear the soldier groan, „We’ll go at it alone“

I can taste your fear,
It’s going to lift you up and take you out of here,
And the bone shall never heal,
I care not if you kneel.

We can’t find you now,
But they’re going to get their money back somehow,
And when you finally disappear
We’ll just say you were never here.

Been working for the church
While your life falls apart,
Singing hallelujah with the fear in your heart,
Every spark of friendship and love
Will die without a home.

Hear the soldier groan, „We’ll go at it alone“
Hear the soldier groan, „We’ll go at it alone“

Regen fällt an Regentagen

In der Rickshaw sitzend, vernehme ich auf der Rückfahrt von meiner Arbeit mit wohlwollendem Grauen das beständig zunehmende Trommeln der Regentropfen auf dem Zeltdach des dreirädigen Gefährts. Dicke Tropfen, die im Staub Krater hinterlassen und Dich möglichst schnell die sichere Wohnung erreichen lassen wollen. Im zweiten Stock angekommen ziehen sich die Wolken zusammen, der Wind nimmt zu, der Regen setzt sanft ein und bringt Abkühlung durch die weitgeöffnete Terrassentür. Durchatmen und das wogende Grün der Bäume und seinen schönen Kontrast zum tiefen Grau des Himmels genießen, über die vergangenen Tage nachdenken, die Regengüsse stets mehr willkommen heißen als die drückend-heiße Schwüle indischer Sommertage.

Wie wenig von dieser Stadt eigentlich stehen bleiben müsste, wie schnell ihre offenliegenden Adern entlang der Straßen und Plätze platzen müssten. Morgen früh wieder fast alles wie zuvor, fast alles verdunstet, einzig verstopfte Kanäle und abgesoffene Straßen bleiben als Zeugen dieser launischen und lang ersehnten Jahreszeit zurück. Naturgewalt, die ich gerne im Zentrum erleben möchte (wäre da nicht diese banal-bösen Blitze) und nicht oft genug fotografieren, filmen und bewundern kann. Gegen Ende der Wasserspiele ein hell leuchtender Himmelstreifen und die Erinnerung an Abenddämmerung. Eine halbe Stunde Drama, Gewalt, Dunkelheit und Wind. Danach Ruhe und unmittelbares Vergessen.

Mein erster indischer Sommer, meine erste durchdringende Regenzeit.

…mit ein paar Zeilen aus „Irgendwann Regen“ der Hamburger Kantriekram-Combo FINK im Kopf wünsche ich eine gute Nacht…

manche gehen in den keller
und welche rauf zum dach
welche schlafen satt und träge
und die anderen liegen wach

einer sagt er hat ne karte
und da steht genau drauf
wie’s in zukunft für ihn aussieht
und genauso wird’s dann auch

(refr.)
irgendwann wird’s regen geben
das ist sicher, soweit ich weiss
irgendwann wird’s regen geben
nur mir wär’s lieber es wär nicht gleich

I hate luv storys

…lautet der Titel eines derzeit hier im Kino laufenden Bollywood-Films, in dem ein junger Produktionsassistent (Imran Khan), trotz tiefer Abneigung für romantische Liebesfilme, am Dreh eines… genau: romantischen Liebesfilms mitwirkt und nach ungefähr zwei Stunden Film (und gefühlten neun Stunden für den Zuschauer) sich eingestehen muss, in seine… genau: romatisch veranlagte Kollegin und Vorgesetzte am Set (Sonam Kapoor) verliebt zu sein. Als Variation der jahrelang überaus beliebten Schweiz als Drehort für exotische Aussenaufnahmen durfte dieses Mal das schöne Neuseeland herhalten (was in diesem Film jedoch wie eine Großausgabe der Schweiz daherkommt) und nachdem sie ihren bereits als Schwiegersohn in spe akzeptierten Mr. Perfect, realischterweise ein nett-langweiliger Bankanalyst (immerhin stets in wunderschöne Hemden gekleidet), im Regen stehen lässt, finden beide auf der Filmpremiere überraschenderweise zusammen.

Alpenhochburg Bollywood

Alpenhochburg Bollywood

Angesehen habe ich mir diesen knapp dreistündigen Film zu der gewöhnungsbedürftigen Kinozeit um die Mittagsstunde. Gemeinsam mit ein paar Kollegen vom Max Mueller Bhavan, also dem indischen Goethe-Institut, sind wir an den Connaught Place gefahren und suchten bei brüllender Hitze, atemraubenden Staub und unüberwindbar erscheinenden Baustellen einen Weg zum PVR Rivoli. Altes Gebäude von drinnen, modern von innen, die gute alte Unterbrechung nach neunzig Minuten, die üblich laffe Paneer-Fladenrolle und das wohlvertraute Gefühl, dass einige Bollywoodmachwerke im Grunde charmant-witzige, unterhaltsame und leidlich originelle Filme sein KÖNNTEN, wenn sie eben beim Anbrechen der Pause beendet wären. Die Zugabe von über einer Stunde ist oftmals schmerzhaft mitanzusehen und der Drei-Stunden-Filmlänge-Korsettzwang wird nur halbherzig von den Drehbuchautoren verheimlicht. Neben wenigen englischsprachigen, oftmals aus Actionfilmen und Komödien der Hollywood-Traumfabrik bestehenden Streifen wurde in „I hate luv stories“ zu 99 Prozent Hindi gesprochen, das fehlende eine Prozent besteht aus den in die Alltagssprache eingegangenen englischen Redewendungen („I hate to say that, but [Hindi]“, „Oh, how wonderfull!“, „Excellent“…). Selten fiel es mir so leicht, der Geschichte zu folgen, da auch bei einer Unterlegung der Filmbilder mit Texten von William Blake das Zelluloidmaterial sich nicht durch größere Sinnhaftigkeit ausgezeichnet hätte.

Nach gut vier Monaten melde ich mich also zurück mit meinem Blog, zurück aus Indien und der Hauptstadt zurück. Zurück aus dem Land, in dem die Gespräche über das Wetter kein Zeichen von Verlegenheit ist und sich derzeit Sonnenschein mit heftigen Regengüssen abwechselt und die staubige Luft auf Delhis Straßen sich mit gefühlten über neunzig Prozent Luftfeuchtigkeit vermischt. Kurzum: der Monsun hat begonnen und wird uns wohl bis Mitte September noch zu erfreuen wissen. Die ersten dreieinhalb Monate bin ich sichtbar nicht über den guten Willen hinausgekommen, meinem ersten Eintrag am ersten Tag meiner Ankunft in Delhi („Fängt ja gut an, dachte ich mir“) weitere Berichte, Stimmungen und Erlebnisse folgen zu lassen. Mitte Juni war ich dann für zwei Wochen in Deutschland und haben neben der herrlichen Ablösung des nahezu konstant blauen indischen Himmels und vierzig Grad durch die grauen Wolken und zwanzig Grad Mitteldeutschlands die Tage damit verbracht, mich an das Gefühl, in Salzgitter Urlaub zu machen, zu gewöhnen. Familie und Freunde konnten nur zum Teil besucht werden, dafür gab es Momente, in denen die vierzehn Tage einem Urlaub näher kamen: ausgedehnte Spaziergänge, etwa rund um den Heerter See, Ausflüge nach Herford (ins Marta) und Hornburg, Ausgehen, Shoppen, Kino mit der Stadtkatze und Faulenzen ohne, da sie arbeiten musste.

Rückkehr dann Ende Juni, am Tag, an dem wir Wembley vergessen gemacht haben und uns würdig für die 1:5-Klatsche vor wenigen Jahren in München revanchiert haben… und Tage der erneuten Eingewöhnung an das noch nicht vertraute Indien.

Und Tage der großen Veränderungen.

Nicht nur an meinem derzeitigen Arbeitsbereich, in der Bibliothek des MMB, die wir am 20. Juli mit den neuen Möbeln ein zweites Mal in diesem Jahr wiedereröffnen… sondern vor allem in meinem Leben.

Nach knapp acht Jahren des gemeinsamen Herumstreichens um Häuser-, Länder- und Sofaecken endet der gemeinsame Weg der Stadtkatze mit dem Stadtkater. Die Stadtkatze stellt sich mutig neuen Herausforderungen im Leben und möchte eigentlich ein komplett anderes Leben führen, was der (zu) viele Kilometer entfernte Kater verstehen kann, ihn dennoch derzeit ein wenig ratlos und waidwund zurücklässt. Die Zukunft ist so offen wie schon lange nicht mehr – Straßengraben und Chance zugleich – und neben den tausend Gedanken und vielen Zweifeln, die mir in diesen Tagen durch den Kopf gehen, ist mir der Wunsch nach Freundschaft (am Ende der Partnerschaft) zwischen uns beiden Straßenräubern mit am wichtigsten.

Don't you ever forget

Der Wunsch, Dein zukünftiger Weg möge von mehr Freude im und Glauben ans Leben verbunden sein, ebenfalls.

Enden möchte diesen ersten Blogger-Gehversuch seit Menschengedenken (vier Monate ohne Aktualisierung in einem virtuellen Medium dürften einer Ewigkeit gleichkommen) mit zwei Strophen meines Lieblingsmusikers Bruce Springsteen, der sich in seinem 1980 veröffentlichten Lied „Independence Day“ sehr persönlich und direkt an seinen Vater richtet… ein paar Zeilen dieses schönen und zurückhaltenden Songs wollen mir jedoch momentan nicht aus dem Kopf gehen…

Now I don’t know what it always was with us
We chose the words, and yeah, we drew the lines
There wa
s just no way this house could hold the two of us
I guess that we were just too much of the same kind

So say goodbye it’s Independence Day
It’s Independence Day
All down the line
Just say goodbye it’s Independence Day
It’s Independence Day this time

(Für s.)

Hello India!

Ausnahmsweise einmal ein wärmendes Rot... so gesehen auf dem Flughafen in New Delhi

Wie vieles im Leben, so ist auch dieser Blog noch eine Baustelle. Die aber hoffentlich schon bald ähnliche Fortschritte zeitigen wird, wie die Metro in New Delhi, die auf der Fahrt vom Indira Gandhi International Airport zum Hotel Shervani in New Delhi zu bestaunen war. Es ist nach Mitternacht, wir haben jetzt hier Sonntag, den 28. Februar, und auf den Straßen war so viel los wie auf deutschen Autobahnen sonntags nach 22 Uhr. Die ersten Stunden hier in Delhi und eine Rückkehr nach gut sechs Jahren… für den potentiellen Somnabulen sind Flüge durch die Zeitzonen Gift, so dass ich noch nicht einmal ansatzweise die Kurve erkennen kann, die ich eigentlich jetzt kriegen sollte, wenn ich das Frühstück in ein paar Stunde (zwischen 07.30 und 10.30 Uhr) nicht verpassen möchte. Aber wie mir meine zukünftige Kollegin Renu auf der Fahrt hierhin sagte, gibt es hier in der Nähe – mit „hier“ meine ich das Stadtviertel Sundar Nagar, welches nicht weit vom Connaught Place entfernt ist – mit der „Sweets Corner“ einen würdigen, wenn auch vielleicht nur vorläufigen Ersatz für mittelprächtiges Hotelfrühstück oder das Bengali Sweets House am Bengali Market…

(Wobei ich Christian Bienerts musikalisches Sonntagsrätsel auf Deutschlandradio Kultur sonntagsmorgens ab 10.15 Uhr, die dazugehörigen Croissants und den frisch gepressten Kaffee schon jetzt vermisse, inklusive der illustren und zum Teil vierbeinigen Gesellschaft am Frühstückstisch…)

Diese ständige Todessehnsucht durch Ertrinken in der honigsirupen Nostalgie meines knappen halben Jahres (damals, vor sechs Jahren, wie bereits erwähnt, lange vorbei also, und doch präsent)  hier in Delhi muss natürlich so langsam ein Ende finden… was ich u. a. daran erkenne, dass ich zum gefühlt hundersten Mal ein paar mittelprächtige Scans analog aufgenommener Bilder bei Flickr hochgeladen haben. Hat dann doch was Gutes, dass mein vorläufiges Hotelzimmer hier im Shervani so klein ist (dafür aber ohne Fenster daherkommt), so dass gegen einen ersten Ausflug am Nachmittag kaum etwas sprechen dürfte. Der städtische Zoo liegt hier ganz in der Nähe, bin zwar kein großer Freund dieser Wildtiersammelstellen, aber für eine Giraffenjagd in der Ferne bin ich durchaus zu haben…

Mehr geht jetzt nicht mehr. Lade nun den Akku meines Notebooks an der Steckdose im Badezimmer auf… wie günstig, extra einen Adapter für indische Steckdosen in Deutschland zu kaufen, wenn der deutsche Stecker wegen zuviel Plastiks an der für ihn am Adapter vorgesehenen Stelle nicht hineinpasst… muss mal wieder die Steckdose für den Rasierapparat herhalten und beim Zähneputzen darf nicht so viel gebladdert werden.

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