Fitness First, der Rest später?

Das Wochenende begann gewöhnungsbedürftog sportlich. Um zehn Uhr morgens hatte ich einen Termin mit Zahid, einem der vielen muskelbepackten „personal trainers“ des Fitness-First-Clubs am Connaught Place. Diese Trainer sind anscheindend so muskelverliebt, dass es ihnen sogar schwerfällt, einem richtig die Hand zu geben… die zudem vom vielen Gewichtestemmen (?) auch noch sehr rauh ist. Niederlassungen dieser Fitnessclubs gibt es weltweit, vermutlich jedoch selten an solch geschichtsträchtiger Stelle wie in New Delhi. In einem der älteren, auf Restaurierung wartenden Gebäude im N-Block des äußeren Rings ist der Club über eine enge Treppe im ersten Stock zu erreichen, direkt neben der Restaurantkette Nirula’s. Wie fast alle anderen Gebäuden des „outer“ und „inner circle“ stammt auch dieses noch aus der Zeit der britischen Kolonialzeit, der gesamte Platz wurde in konzentrischer Form vom Architekten Robert Tor Russel Ende der Zwanziger des 20. Jahrhunderts entworfen und dem Herzog von Connaught gewidmet. Wie viele Orte, Straßen und Städte wurde auch C. P. umbenannt, und zwar in Rajeev Chowk im Gedenken an den 1991 ermordeten indischen Premierminister Rajiv Gandhi… jedoch ist die ursprünglich-britische Bezeichnung noch immer in aller Munde und populärer Bezugspunkt, vorzugsweise als Kürzel: C. P.

Fitness First im N-Block des Connaught Place

Fitness First im N-Block des Connaught Place

Mitglied in einem Sportclub zu werden ist vermutlich einer der vorhersehbaren Schritte sogenannter „expats“, also der in Indien lebenden Ausländer… dies und der Besuch von Yoga-, Hindi- und Kochkursen, ggf. in einem Ashram. Da ich mich nach knapp drei Monaten jedoch nicht mit der schleichenden Zersetzung meines Bewegungsdrangs zufrieden geben wollte – so dachte ich etwa über Rickshawfahrten vom Max Mueller Bhawan an der Kasturba Gandhi Marg (ehemals Curzon Road) zum zehn Minuten entfernten Bengali Market nach… anstelle den sicherlich schwitzigen, jedoch kurzweiligen Fußweg durch die Hailey Road zu nehmen – und trotz Rekordtemperaturen im April und Mai die Kleidung nicht lockerer saß – nahm ich mir vor, neben dem Verzicht auf indische Süßigkeiten (sweets) meinen Körper ein wenig zu schinden. Seit knapp einen Monat besuche ich den nahe der Arbeit gelegenen Club, bisherige Erfolgserlebnisse sind rarer als die gesteckten Ziele (Verlust von 14 Kilo innerhalb von vier Monaten) ambitioniert waren. Ähnlich laut wie die Einpeitscherstimme Zahids schreit zwei Tage nach einem Besuch der Muskelkater… an Stellen, an denen manche Muskeln ihren vierunddreißigjährigen Dornröschenschlaf absolviert haben zu scheinen.

Zahid ist nett, jedoch eindeutig mehr an Frauen interessiert, sprich an den weiblichen Kunden, die sich in diesen mit lebenden Muskeltrophäen und erfindungsreichen Schmerzmaschinen vollgestopften Jagdsalon wagen. Die Namen der Frauen, die aus Deutschland kamen – großzügigerweise unter supranationaler Einbeziehung der Schweiz und Österreichs – zähjlte er zu Beginn unserer Treffen auf wie die beruflichen Abschlüsse eines Lebenslaufs… frei nach seinem schmunzelnd vorgetragenem Motto: „David, do you know what doctors and personal trainers have in common? You can share e v er y t h i n g with them!“. Wenig überraschend erstrecken sich Gespräche über meine Tätig als Bibliothekar am Goethe-Institut auf nur wenige Sekunden… insgesamt! Nach wie vor gewöhnungsbedürftig (mit Peinlichkeitsfaktor als Dauerzustand) ist Zahids Art, meinen Namen quer durch den Raum zu brüllen und somit mir gefühlsmäßig den Button „Untrainierter und blutig anfangender Weißer“ anzustecken. Ansonsten besteht ein typischer Dialog, der sein „Checken“ der weiblichen Rotwildlage vor Ort empfindlich stört, etwa aus folgenden Zeilen: „David! You see, this you move up and down like this, hands to your hips. Three Fifteen (= dreimal fünfzehn Ausführungen).“ Minuten später, ich: „Done“ – „How many?“ – „Fourty-five!“ – „Great“… Die fünf im Monatsbeitrag enthaltenen Trainingseinheiten mit Zahid sind überstanden, am Montag soll ich daran denken, meine Kreditkarte mitzubringen, damit wir das weitere persönliche Vorgehen planen können. Vielleicht ein guter Zeitpunkt, die Zusammenarbeit mit dem gutaussehenden Zahid zu beenden…

Rickshawfahren macht seit ein paar Tagen nur noch halb so viel Spaß… seit dem großen Streik vor knapp zwei Wochen, an einem Montag, der, auf einen denkwürdigen Sonntag folgend, nur verregnet sein konnte, an dem die Opposition landes- bzw. subkontinentweit zu Protestaktionen gegen die Anhebung der Öl- und Kraftstoffpreise aufgerufen hatte, ist der besondere Menschenschlag der Rickshawfahrer ungewöhnlich und enttäuschenderweise handzahm. Will heißen, drei von vier zeigen FREIWILLIG auf den Taxometer („meter“), wenn man sie nach Nennung des Fahrziels nach dem Preis fragt. All die schönen, da liebgewonnen Verhandlungen, Auseinandersetzungen, Vorhaltungen und Frotzeleien („C’mon, I want to go to Jor Bagh, not to Rishikesh!“) scheinen ab nun bis auf wenige Ausnahmen, etwa zu später Nachtstunde, der Vergangenheit anzugehören. Stolz wird eine mit kleinen Zahlenreihen versehene Liste aus der Amaturenablage gefischt und mit dem Finger die richtige Zeile mit den gefahrenen Kilometern gesucht, was dank neuer Gebührenraten die Nennung eines moderat erhöhten Fahrpreises zur Folge hat.

Auch eine Form von Streik

Auch eine Form von Streik

Wie sehr wünschte ich mir in den ersten vier Monaten, dass wenigstens EIN Rickshawfahrer mich zur Abwechslung einmal „per meter“ transportiert.

Jetzt ist es soweit und auch nicht Recht. Vorher war schöner…

(mU)